Wald mit vielen verdorrten Bäumen

UN-Naturschutzgipfel | Advent, Advent, der Regenwald brennt

Worum geht es beim UN-Naturschutzgipfel?

Kaum drei Wochen nach dem Ende der Weltklimakonferenz in Ägypten steht nun die nächste globale Konferenz zur Zukunft des Planeten auf der Agenda. Seit Mittwoch wird im kanadischen Montreal auf der Weltnaturkonferenz über den Schutz der Natur verhandelt.

Oft als kleiner Bruder des Klimaschutzes belächelt, geht es aber bei dieser Konferenz mindestens im gleichen Maß um die Sicherung unserer Lebensgrundlagen. So klar wie UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der auf dem Gipfel dringlich vor einem “Krieg gegen die Natur” warnt, ist die zentrale Bedeutung des Erhalts der biologischen Vielfalt allerdings nicht allen Beteiligten.

Denn der Schutz der Biodiversität hat weiterhin keine politische Priorität und spielt auch medial nicht die Rolle, die dem Ausmaß der Krise angemessen wäre.

Mit zwei Jahren Verspätung beginnt die Konferenz nun mit denkbar schlechten Startvoraussetzungen: Unzählige Konfliktpunkte im Vorlauf haben zu einem Flickenteppich von ungeklärten Passagen im bisher vorliegenden Entwurf des Vertragstextes geführt. Ein fatales Signal der Bedeutungslosigkeit, das damit von der Konferenz ausgeht, auf der die Regierungschefs nicht einmal eingeladen sind, sondern lediglich die zuständigen Fachminister:innen.

Zeit genauer hinzuschauen auf diesen Naturschutzgipfel, bei dem endlich weitgehende und ambitionierte Maßnahmen beschlossen werden müssen. Der Naturschutz braucht jetzt ein Ziel, wie es beim Klimaschutz bereits 2015 in Paris mit der 1,5°-Grenze errrungen wurde.

Warum ist Biodiversität so relevant?

Die Natur ist für die menschliche Existenz und eine gute Lebensqualität unerlässlich. Die meisten Beiträge der Natur für die Menschen sind nicht vollständig und einige gar nicht ersetzbar. Während den Menschen heute an den meisten Orten mehr Nahrung, Energie und Ressourcen als je zuvor zur Verfügung stehen, geht dies zunehmend auf Kosten der Fähigkeit der Natur, diese Beiträge auch in der Zukunft weiter zu gewährleisten.

Der Handlungsdruck ist groß. Derzeit wird davon ausgegangen, dass eine von acht Millionen, auf der Erde existierenden Arten gerade darauf zugehen, auszusterben. Eine weitere Million werden als gefährdet betrachtet. Dies ergibt einen Anteil von 25 %. Es benötigt also Maßnahmen, um das dramatische Artensterben einzudämmen. Falls dies nicht geschieht, wird sich das Artensterben weiter beschleunigen, obwohl es bereits jetzt mindestens zehn bis hundertmal so schnell voranschreitet wie im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre.

Fakt ist: Wir stehen am Beginn des 6. Massenaussterbens der Erdgeschichte, wie das der Dinosaurier, aber gerade im Hier und Jetzt. Von der Weltnaturkonferenz dieses Jahr in Montreal wird erhofft, dass sie ähnliche Einschlagkraft hat, wie die Klimakonferenz in Paris 2015. Die Erwartungen sind hoch, da die letzten 2 Jahre keine Konferenz stattgefunden hat und da jedes weitere Jahr, in dem nicht gehandelt wird, einen realen, negativen Effekt auf alle Ökosysteme der Erde hat. Und ähnlich wie im Klimasystem existieren in Ökosystemen Kipppunkte, die irreversible Folgeschäden nach sich ziehen können. Nur, dass es schwieriger ist exakt vorauszusehen, wie viele aussterbende Arten der Planet noch verkraftet.

Auch sollte die Relevanz der Ökosysteme in Bezug auf den Klimawandel, nicht unterschätzt werden. Meeres- und Festlandökosysteme sind die einzigen Senken für vom Menschen verursachte Kohlenstoffemissionen. Sie binden 5,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr. Das entspricht etwa 60 Prozent der globalen, von Menschen verursachten Emissionen. Drastischen wären die Konsequenzen, wenn diese Kohlenstoffsenken wegfallen würden.

Was ist der aktuelle Stand?

Die bisherige Bilanz im Naturschutz ist alarmierend: Von 20 Zielen, die sich die Regierungen bereits vor einem Jahrzehnt im japanischen Aichi gesetzt haben, wurden alle 20 verfehlt. Die Entwaldung hat in den Tropen bisher zugenommen, das Artenaussterben nimmt rasant zu. Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen, als die Erde bereitstellen kann. 

Das ist ein Armmutszeugnis für die Politik, die sich weiterhin hinter der Illusion von grünem Wachstum versteckt. Dabei wird gepflegt ignoriert, dass unbegrenztes Wirtschaftswachstum auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen auf Dauer nicht funktionieren kann.

Diese Ausbeutung der Natur hat schon jetzt Konsequenzen. Mit dem Earth Overshoot Day (Erdüberlastungstag) wird deutlich, wie extrem die Überlastung der natürlichen Ökosysteme ausfällt. Deutschland hat dieses jahr bereits am 4. Mai alle Güter der Natur verbraucht, die regeneriert werden können. Die restlichen sieben Monate des Jahres wirtschaften wir auf Kosten der Natur – und diese Rechnung geht auf Dauer nicht auf. Denn wie bei den Klimakipppunkten, können auch die Ökosysteme nicht endlos strapaziert werden.

Doch damit hören die Probleme noch nicht auf. Die Umnutzung von Land ist der größte Treiber von Biodiversitätsverlust. Sie geht mit der Vernichtung von Lebensräumen einher – etwa durch die Abholzung intakter Wälder für Palmölplantagen, Versiegelung von Böden durch Neubaugebiete, Flughäfen, Fabriken, Bodenzerstörung für den Rohstoffabbau oder intensiver Landwirtschaft. 

Besonders extrem ist das Problem leider in den Regionen, die noch über besonders einzigartige Ökosysteme verfügen. So zum Beispiel in den Regenwäldern des Amazonas. Ohne die Rettung der “Grünen Lunge” unserer Erde ist auch das Erreichen der Klimaziele undenkbar. Bisher werden die tropischen Regenwälder im atemberaubenden Tempo von zehn Fußballfeldern pro Minute niedergewalzt. 

Allerdings wurde gerade dort zu Beginn der Konferenz ein kleiner Lichtblick errungen. Die EU-Staaten haben sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt, das die Abholzung zur Herstellung einer Reihe von Produkten unterbinden soll. Fest steht aber, um dieser dramatischen Zerstörung der Natur entgegenzuwirken, braucht es grundlegende Veränderungen unserer Wirtschaftsweise. 

Was muss jetzt passieren?

Das sind unsere zentralen Forderungen:

  1. Wir fordern 50% aller Land- und Seeflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen. Der Schutz von mindestens 30% aller Flächen wäre eine Untergrenze. Eine industrielle Nutzung dieser Flächen, die sich als nachhaltig ausgibt, darf dabei nicht zugelassen werden, um Greenwashing zu verhindern. Von zentraler Bedeutung ist auch, die Rechte der dort ansässigen Indigenen Bevölkerungen zu sichern. Diese schützen heute den Großteil der Pflanzen- und Tierarten der Erde.
  1. Naturschutz muss ausreichend und global gerecht finanziert werden. Reiche Staaten wie Deutschland trifft dabei eine besondere Verantwortung, der sie bisher nicht gerecht werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, jährlich 8 Milliarden €, statt den zugesagten 1,5 Milliarden, für den Schutz der Umwelt bereitzustellen.
  1. Endloses Wirtschaftswachstum auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen kann nicht funktionieren. Wir fordern die Politik auf, diese Illusion aufzugeben und langfristige Lösungsansätze umzusetzen. Es braucht ein Wirtschaftssystem, das nicht auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen aufbaut, sondern ihren Wert und Nutzen anerkennt.
  1. Die Umnutzung von Land, Abholzung und Trockenlegung von Feuchtgebieten müssen gestoppt und umgekehrt werden. Auch ein Umdenken der Landwirtschaft ist notwendig. Eine drastische Reduzierung der intensiven Nutztierhaltung und des Einsatzes von Pestiziden, sowie synthetischem Dünger ist dringend nötig.
  1. Der Naturschutz braucht verbindliche Ziele, deren Einhaltung kontrolliert werden muss. Dazu braucht es wirksames Monitoring und jährlich offenzulegende Berichte zur Biodiversitätslage in den einzelnen Ländern.

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