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Die (Un-) Gerechtigkeitsfrage der COP 27

Am Montag beginnt in Ägypten, in Scharm el-Scheich, die 27. UN-Klimakonferenz. Schon im letzten Artikel sind wir kurz darauf eingegangen, warum dieser Standort, anders als von allen Teilnehmerstaaten bisher glorifiziert, äußerst kritisch gesehen werden muss. Heute wollen wir vor allem auf die Lage der Menschenrechte in Ägypten eingehen und darauf, warum Deutschland als Industrienation und Anna-Lena Baerbock als Außenministerin besondere Verantwortung tragen.

Lage der Menschenrechte in Ägypten

Angeführt von General Abdel Fattah el-Sisi, der 2013 durch einen Militärputsch an die Macht kam und sich seitdem durch Scheinwahlen an der Macht hält, ist das ägyptische Regime laut Menschenrechtsorganisationen eines der brutalsten und repressivsten der Welt. Aktivist*innen und Oppositionspolitiker*innen werden in rechtswidrigen Verhören unter Druck gesetzt, zu Unrecht strafrechtlich verfolgt und auf so genannte “Terroristenlisten” gesetzt.  Wer auf dieser Liste willkürlicherweise landet, dem*der wird faktisch jede zivilgesellschaftliche oder politische Betätigung sowie Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt.  Menschen, die sich in unrechtmäßiger Haft befinden, sehen sich grausamen Haftbedingungen ausgesetzt. Die für Staatssicherheit zuständige Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft (Supreme State Security Prosecution – SSSP) umgeht Entscheidungen von Gerichten und Staatsanwaltschaften, die nach übermäßig langer Untersuchungshaft Freilassungen angeordnet hatten, indem sie neue Haftbefehle für ähnliche Anklagen auf Grundlage geheimer NSA-Ermittlungen ausstellt. Diese als “Rotation” bezeichnete Praxis betraf auch Häftlinge, die viel länger Zeit in Untersuchungshaft verbracht hatten als die zwei Jahre, die nach ägyptischem Recht maximal zulässig sind. Neben der Taktik des Verschwindenlassens ist auch brutale Folter regelmäßig an der Tagesordnung. 

Dramatisch steht es auch um die Presse- und Meinungsfreiheit. Behörden unterdrücken weiterhin das Recht auf die eigene und freie Meinung und gehen massiv gegen kritische Stimmen vor, die sich im Internet oder anderweitig öffentlich äußern. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen blockieren Behörden weiterhin mindestens 600 Websites, die Nachrichten oder Informationen zu Menschenrechten und anderen Themen enthalten. 

Wissenschaftliche Arbeiten und Paper können erst mit dem OK der ägyptischen Regierung veröffentlicht werden. Es ist also nicht nur die Meinungs- sondern auch die Pressefreiheit eingeschränkt, was zu einer Informations-Unsicherheit führt. Man kann sich nicht sicher sein, was man dem ägyptischen Regime glauben kann und was nicht. Das ist auch schwierig für die internationale Gemeinschaft, besonders hart trifft es allerdings diejenigen, die sich vor Ort bspw. für Klimagerechtigkeit einsetzen – denn sie können ihre Inhalte nicht äußern, werden verhaftet und gefoltert. 

Seitdem Präsident al-Sisi 2014 an die Macht gekommen ist, findet eine ständige, gewaltvolle Verfolgung junger Aktivist*innen, zivilgesellschaftlicher Organisationen und unabhängiger Journalist*innen statt. Das Recht auf Versammlung ist quasi nicht vorhanden, die Zivilgesellschaft wird systematisch aus Sharm El-Sheikh ausgeschlosse und während der gesamten COP wird es lediglich eine sehr eingeschränkte Zone geben, in der zivile Mobilisation potentiell möglich ist.

Opfer dieses repressiven Systems ist der Aktivist Alaa Abdel Fattah geworden, der inzwischen Symbol für den Widerstand gegen das ägyptische Regime geworden ist. Alaa Abdel Fattah befindet sich seit mehreren Monaten im Hungerstreik, um gegen seine Inhaftierung, die grausamen Haftbedingungen und die Verweigerung konsularischen Beistands zu protestieren. Der lange Hungerstreik ist zunehmend lebensbedrohlich, trotzdem weigert sich die ägyptische Regierung, auf die Forderungen von Alaa und seinen Unterstützer:innen einzugehen. In den letzten Tagen hat sich die Sitution verschärft, weil Alaa vor der Konferenz nicht mehr die letzten Kilokalorien zu sich nimmt, die ihn letzten Wochen am Leben gehalten haben und ab Sonntag, den Beginn der Klimakonferenz, will er auch keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen.

Deutschlands Verantwortung

Momentan unterstützt Deutschland dieses autokratische System. Es wird enge wirtschaftliche Zusammenarbeit gepflegt; Ägypten ist mit 1,6 Milliarden Darlehen und Zuschüssen eines der größten Partnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Hinzu kommt, dass Ägypten über die letzten drei Jahre hinweg das Land war, an das Deutschland die meisten Waffen exportierte. Allein 2021 exportierte Deutschland Waffen im Wert von mehr als vier Milliarden Euro an Ägypten – trotz Menschenrechtsverletzungen und lokaler Konflikte. Das ist schlimm und widerspricht allen Regeln der “wertegeleiteten Außenpolitik”, die Anna-Lena Barbock umzusetzen versprach. Es ist allerdings auch eine Position, die sich nutzen lässt. Deutschland – und insbesondere Anna-Lena Baerbock als Außenministerin- hat die Möglichkeit und die politischen Druckmittel, sich für die Befreiung aller politischer Gefangenen einzusetzen. Diese Möglichkeit muss soweit genutzt werden, dass eine Aufhebung der Beschränkungen im zivilgesellschaftlichen Raum umgesetzt wird! Wer mit dem Anspruch auf wertegeleitete Außenpolitik in einen Wahlkampf geht, der muss ihn dann auch umsetzen, muss ein Augenmerk auf Menschenrechte und die Charta der Vereinten Nationen haben – auch und gerade dann, wenn es unbequem ist und einen langen Atem erfordert.

Deutschlands wirtschaftliche Stärke und internationaler Einfluss muss dekolonialisiert werden – kann aber auch als demokratisierendes Element agieren. Der Grundsatz der internationalen Wirtschaftspolitik muss es sein, dass nur mit Staaten Handel getrieben wird, die sich konform zu den universellen Menschenrechten verhalten und die die Grundsätze einer Demokratie erfüllen.

Das hält Deutschland momentan nicht ein. Aber das muss nicht sein – und Deutschland kann das ändern.

Unsere Forderung

Die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Ägypten muss zu einer Grundlage der Konferenz gemacht werden. Dabei reicht es nicht, die verheerende Situation lediglich zu thematisieren und in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken. Stattdessen muss sich die deutsche Außenpolitik für eine Stärkung der ägyptischen Zivilgesellschaft einsetzen. Das bedeutet konkret, eine Freilassung aller politischer Gefangenen zu fordern und demokratische Schritte hin zu einer Meinungsfreiheit einzuleiten.

Auf der COP muss anerkannt werden, dass Klimaschutz nicht ohne soziale Gerechtigkeit gedacht werden kann. Menschenrechte und Klimaschutz sind untrennbar verbunden. 

Deutschland muss die internationale Verantwortung und diesen globalen Verhandlungsraum nutzen.

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1 Gedanke zu “Die (Un-) Gerechtigkeitsfrage der COP 27

  1. Das Ganze heißt bereits falsch. Da steht “Climate Change”. Als wäre das ein Slogan von Obama. Das Klima verändert sich nun mal jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht. Das ist so banal, dass man denken muss: ’Das ist der Lauf der Zeit. Da kann man nichts machen. Panik? welche Panik?’ Der Kompromiss auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ist hier bereits vorgezeichnet. Für diesen Schwachsinn brauchen erwachsene Menschen 27 Gipfel.

    Aber das Logo ist zynisch gesehen gelungen: Sobald die Temperatur der ’Sonnenstrahlen’ weiter zunimmt, werden wir uns mit bloßen ’Händen’ in die Erde vergraben müssen. Was für ein Scharm el Scheiß. Dass die Teilnehmer sich nicht schämen. Frau Von der Leyen sollte endlich Ihres Amtes enthoben werden. Diese Frau hat noch in keinem Amt irgendetwas richtig gemacht, stattdessen nur Scherben und Schulden hinterlassen. Deshalb wurde sie von Berlin nach Brüssel abgeschoben. Wenn sie momentan nicht schon da wäre, müsste man sie in die Wüste schicken. Es ist zum Verzweifeln.

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